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Buch: Meine neue Freiheit 60+

In meinen Workshops zu Arbeits- und Selbstorganisation lässt sich meistens eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Zielen nicht vermeiden. Ich mache dann aus meinem Herzen keine Mördergrube und bekenne öffentlich, dass ich dazu ein, sagen wir einmal, ambivalentes Verhältnis habe.

Ein Grund für meine skeptische Sichtweise liegt in den verschiedenen Lebensabschnitten, die wir alle durchlaufen dürfen. Nun gibt es sicher operative Ziele wie der nächste Urlaub oder der Kauf einer Eigentumswohnung. Aber die Frage nach dem Sinn des Lebens wird mit zwanzig sicher anders beantwortet als mit siebzig.

Oft erzähle ich meinen Teilnehmer:innen, dass ich es für mich am Horizont öfters blinkt und frage sie dann, ob sie wüssten, was das sei. Auf meine Antwort „das Werkzeug des Sensenmanns“ folgt dann oft verlegenes Schweigen.

Aber so ist das nun einmal. Irgendwann kommt die Zeit, wo einem die Endlichkeit bewusst wird und spätestens mit 60 stellen sich viele die Frage, was sie in den rund zwanzig Jahren aktiver Restzeit noch tun könnten (oder auch lassen sollten).

„Wie aktives und erfülltes Älterwerden gelingen kann“, will uns Senioren die Gisela Gehrmann in ihrem Buch Meine neue Freiheit 60+ zeigen. Was kommt, wenn man die Kröte des 60. Geburtstags erst einmal geschluckt hat? Was hilft dabei, diese Kröte auch zu verdauen?

Ein vielzitierte Weisheit lautet:

Alt werden will jede(r), Alt sein hingegen niemand.

Nun kommt es sehr darauf an, wie das Alt sein gestaltet wird. Wie so oft gilt auch hier der Grundsatz der Stoa, dass es nicht die Dinge selbst sind, die uns beunruhigen, sondern die Art und Weise, wie wir darüber denken. Laut der Autorin sollten wir nicht so sehr darüber sinnieren, was in unserem Leben alles nicht funktioniert hat. Vielmehr besteht der erste Schritt zu einem erfüllten Alter darin, auszuloten, was noch alles möglich ist.

In dem Kapitel „Mein Alter neu gestalten“ gibt sie einige praktische Hinweise zur Gestaltung, wie Ehrenamt, Senioren-WG, Mini-Selbstständigkeit oder auch das Leben als Single.

Einige Abschnitte sind den Veränderungen im und durch das Alter gewidmet und die tatsächlich irritierend sein können:

  • Wie steht es um das Gefühlsleben? Geht das überhaupt noch, Verliebt sein oder Sex im Alter? Darf man das?
  • Verändert sich das Gehirn? Und wenn ja, wie? Wie ist das mit der Vergesslichkeit? Kann ich mein Gehirn fit halten?
  • Welche Körpersignale gibt es und wie kann ich sie deuten?
    (Hier habe ich endlich gelernt, warum mir immer wieder die Nase tropft).

Irgendwann geschieht es immer häufiger, dass man hört, der Freund sein an diesem erkrankt, die Freundin an jenem verstorben. Dann spätestens merkt man, die Einschläge kommen immer näher. Und dann taucht es auf, das Bewusstsein für die eigene Vergänglichkeit. Spätestens dann. Auch darum drückt sich das Buch nicht. Wie können wir mit der Angst vor dem Sterben umgehen? Wir erfahren, welche Aufgaben und welche Funktion Hospiz und Palliativmedizin einnehmen.

Wir, die wir von den Jüngeren etwas despektierlich mit dem Wort „Boomer“ tituliert werden, sind vermutlich die erste Generation in einer Sandwichposition. Will sagen, wir haben nicht nur Kinder und Enkelkinder, sondern mitunter auch hochbetagte Eltern, um die wir uns kümmern müssen wollen. Das ist nicht immer einfach, besonders wenn eine beginnende oder fortgeschrittene Demenz das Verhältnis beeinträchtigt. Auch hier geht die Autorin auf alltägliche Probleme ein, die immer wieder auftreten. Was, wenn der Vater den Führerschein nicht abgeben möchte oder die Mutter keine Vorsorgevollmacht ausstellen will? Welchen Entscheidungen muss man sich eventuell stellen? Soll (muss?) der Vater oder die Mutter ins Pflegeheim?
Aus eigener Erfahrung weiß ich, es ist wichtig mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Allerdings glaube ich, dass dies eher den Zeitabschnitt 50+ betrifft. Die Angehörigen der Zielgruppe des Buches dürften mit 60+ diese Entscheidungen bereits früher, so oder so, getroffen haben.

In dem Buch werden viele Aspekte abgedeckt, die Menschen betreffen, wenn sie die sechzig überschreiten. Das ist die Stärke des Buchs, aber auch seine Schwäche. Es wird vieles behandelt, wenn auch nur an der Oberfläche. Allerdings steht für die tiefergehende Recherche ein umfangreiches Verzeichnis mit Links zu entsprechenden Websites zur Verfügung.

Wenn Sie eine Einführung in das Thema Altern und Älter werden suchen und dabei eine leicht verständliche unterhaltsame Sprache bevorzugen, dann dürfte das Buch genau das richtige für Sie sein. Es eignet sich wunderbar als Übersicht und als Ausgangspunkt für die weitere tiefer gehende Beschäftigung mit dem Thema.

Gisela Gehrmann:
Meine neue Freiheit 60+: Wie aktives und erfülltes Älterwerden gelingen kann.
(Link zu Amazon)

 

Das Buch wurde mir freundlicherweise vom herbig Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür.

BTW: Ich freue mich, wenn ich ab und zu ein Buch zum Rezensieren geschickt bekomme. Die Bücher, die mir gut gefallen, bespreche ich, über die anderen schweige ich mich aus. Ich habe keinen Gefallen an Verrissen, schließlich bin ich kein Literaturpapst.

 

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Die Stufen des Widerspruchs

Immer wieder nehme ich mir vor, mich auf Twitter nicht auf Diskussionen einzulassen. Aber ich tue es immer wieder. Auch heute wieder. Allerdings bemerke ich diesen Fehler schneller als früher und begebe mich alsbald zum Ausgang. Meist bediene ich mich dann der komplementären Kommunikation, indem ich mich mit einer Unterlegenheitsgeste verabschiede. Wie es im Tierreich halt üblich ist. Ganz nach dem Motto meiner Großmutter:

Du hast Recht und ich habe meine Ruhe.

Vielleicht ist diese Vorgehensweise nicht immer befriedigend, aber sie schont die Nerven ungemein.

Trotzdem halte ich Twitter unterm Strich immer noch für ein wertvolles Medium. Über diesen Kanal habe ich schon manchen interessanten Kontakt geschmiedet und – ja – auch manchen interessanten Denkanstoß bekommen. So auch zum Thema Diskussion, Diskurs, Dialog von @JohanMalan. In einem Tweet weist er auf die Hierarchie der Gegenargumente nach Paul Graham hin:

Respekt für die gegnerische Position ist proportional zur eingenommenen Stufe auf der Pyramide.

Graham's Hierarchy of Disagreement-de.svg
Mir fällt auf, dass Diskussionen auf Twitter sehr oft auf den vier unteren Ebenen dieser Pyramide stattfindet. Ich bin weder Kommunikationstheoretiker noch Medienwissenschaftler und so kann ich nur spekulieren, warum die Auseinandersetzung auf diesen Stufen in sozialen Netzwerken die Regel und nicht die Ausnahme sind (Vermutungen habe ich allerdings).

Hinweisen möchte ich auf den Originalbeitrag How to Disagree von Paul Graham, den Jens Oliver Meiert netterweise ins Deutsche übersetzt hat.

Mir gefällt dieses Modell von Graham ganz gut. „Ganz“ deswegen, weil ich mir bei WH2 „Kritik des Umgangtons“ nicht ganz schlüssig bin. Was soll man davon halten, wenn mir zwar ein schlüssiges Gegenargument genannt wird, dies aber in herablassendem belehrendem Unterton? Spätestens seit Watzlawick wissen wir, dass sich Sach- und Beziehungsebene schwer (oder besser gar nicht) trennen lassen. Ist dann nicht erlaubt, nicht nur das „Was“, sondern vielmehr das „Wie“ einer Konversation zu kritisieren?

Vielleicht lohnt es sich, dem Grahamschen Modell das Modell der Logischen Ebenen von Robert Dilts gegenüberzustellen.

Aber nicht mehr heute am Sonntagabend, vielleicht nächste Woche.

 

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Wie Sie eine Community pflegen

Ich habe lange überlegt, wie ich das Wort „Community“ übersetzen könnte und muss gestehen, mir ist nichts rechtes eingefallen. „Gemeinschaft“ trifft es nicht so richtig, „Gemeinde“ wohl eher. Im US-amerikanischen Kontext wird damit oft das Gemeinwesen angesprochen. Manchmal ist es vielleicht besser, den Ausdruck einfach stehen zu lassen.

Wie auch immer, auf der Website The Community Tool Box lernen Sie ein Vielzahl von Methoden kennen, mit denen Sie Communities bilden und unterstützen können. Sie erfahren auf der Website,

  • wie Sie die Bedürfnisse einer Community herausarbeiten können
  • wie Sie die Ressourcen ermitteln können, die einer Community zur Verfügung stehen
  • wie Sie die Stellgrößen für eine gesunde Entwicklung benennen und benutzen
  • welche Stakeholder es gibt und wie man sie einbeziehen kann
  • auf welche Weise Führung entwickelt wird
  • welche Maßnahmen zur Entwicklung geplant, durchgeführt und wie sie evaluiert werden können

Aufgrund des riesigen Umfangs des Gebotenen ist es sicher hilfreich sich zunächst mit dem Gebrauch der Toolbox zu beschäftigen. Auch hier für gibt es ein eigenes Kapitel.

Die Community Toolbox ist ein Angebot der Universität von Kansas und ist mit den wenigen Einschränkungen der Creative Commons Attribution-Noncommercial-Share Alike 3 frei zugänglich.

Da ich seit diesem Jahr das Ehrenamt des Kirchengemeinderats ausübe, werde ich mich in der nächsten Zeit eingehend mit der Community Toolbox befassen. Ich habe da so eine Ahnung, dass ich dort eine Menge für die Gemeindearbeit lernen kann.

BTW: Ich habe lange überlegt, ob es in Deutschland eventuell ein Gegenstück zur Community Toolbox geben könnte. Vielleicht ist es die Stiftung Mitarbeit zusammen mit dem Wegweiser Bürgergesellschaft und dem Netzwerk Bürgerbeteiligung. Schauen Sie doch einmal vorbei und überprüfen, ob ich richtig liege.

Übrigens hat die Community Toolbox auch einen eigenen YouTube-Kanal, wie könnte es auch anders sein.

 

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

 

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Entscheidungshilfe: E-Mail schicken oder nicht?

Es gibt Leute, die behaupten, die beste E-Mail ist die, die gar nicht verschickt wird. Tatsächlich hören wir allerorts das Klagelied über die E-Mail-Flut, in der nahezu jeder Werktätige abzusaufen droht. Um dieser fatalen Entwicklung entgegen zu wirken, habe die Autoren von Co.Design ein nützliches Diagramm veröffentlicht. Es soll Ihnen bei der Entscheidung helfen, ob Sie ein E-Mail verschicken sollen oder nicht: Should You Send That Email? Here’s A Flowchart For Deciding.

 

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Wie Andere die Dinge geregelt kriegen

Wenn ich einen Workshop zur Selbstorganisation begleite, bin ich immer gespannt, welche Kniffe meine Teilnehmer anwenden, um gut durch ihren Arbeitstag zu kommen. Ich weise immer darauf hin, dass sie etwas, was gut funktioniert, unbedingt beibehalten sollten. Gemäß dem alten Spruch “Never change a running system”, sollte man nicht etwas über Bord werfen, was sich bewährt hat, nur weil es auf den ersten Blick nicht zu einer Zeitmanagementmethode zu passen scheint. Vielmehr lautet hier die Frage: “Wie kann ich das eine tun ohne das andere zu lassen?”

Eine große Sammlung individueller Ansätze finden Sie auf der Website uses this. Dort erzählen Mitmenschen mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen, wie sie die Dinge geregelt kriegen. Die Website uses this ist eine

collection of nerdy interviews asking people from all walks of life what they use to get the job done.

In den Kategorien finden Sie alle die Berufe, deren VertreterInnen bislang interviewt worden sind. Das sind seit Bestehen der Seite (2009) eine ganze Menge. Wenn Sie ein bisschen stöbern, tun sich da ganz neue Perspektiven auf.

 

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

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Grundlegendes zu Arbeitsrecht & Co

Während des ScrumDays 2018 besuchte ich einen Workshop, in dem die Basics des Arbeitsrechts vermittelt werden sollten. Der Kenntnisstand zu diesem Thema hat mich doch einigermaßen erschreckt. Oder vornehm ausgedrückt: Es ist noch viel Luft nach oben. Offensichtlich hat sich seitdem nicht allzuviel verbessert, habe ich den Eindruck.

Zum eigenen unkomplizierten Aufschlauen möchte ich daher einige Broschüren empfehlen, die sämtlich kostenlos als pdf-Dateien heruntergeladen werden können:

Falls Sie in Ihrem Unternehmen Heimbürotage anbieten, dann emfpfehle ich Ihnen außerdem:

Ich denke, wenn Sie diese Broschüren durchgelesen haben, dann sind Sie erst einmal gerüstet.

BTW: Natürlich bin ich selbst kein Jurist und daher auch kein Arbeitsrechtler. Allerdings hat mir die langjährige Zusammenarbeit mit einem solchen immer wieder gezeigt, wie komplex diese Materie ist. Ein paar Grundkenntnisse können also nicht schaden.

Beim Thema Arbeitssicherheit kenne ich mich als gelernter Sicherheitsingenieur schon besser aus. Insbesondere hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren kann ich Ihnen schon weiterhelfen, wenn Sie wollen.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 

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Aus dem Antiquariat: Die Anleitung zur E-Mail

Eigentlich dürfte es das Werkzeug E-Mail schon längst nicht mehr gehen. Immer wieder haben die Internet-Auguren ihr Ende verkündet. Doch all die neuen beruflichen und privaten Instant Messenger Dienste haben der E-Mail bislang nicht den Garaus bereiten können. Totgesagte leben bekanntlich länger und so behauptet die gute alte Elektropost nach wie vor ihr Dasein.

Gut ein Vierteljahrhundert (das sind 25 Jahre!!) ist es bereits her, dass Kaitlin Duck Sherwood einen Leitfaden für die richtige Verwendung von E-Mails verfasst hat: A Beginner’s Guide to Effective Email.

Nun besteht der Charme dieses “uralten” Mediums durchaus darin, dass sich in den letzten Jahren im Umgang mit E-Mails nicht allzu viel geändert hat. E-Mail ist E-Mail ist E-Mail. Wenn Sie jedoch den Leitfaden genauer unter die Lupe nehmen, dann werden Sie sich die Augen reiben, wie viel davon noch aktuell ist und wie wenig davon bis heute im Geschäftsalltag umgesetzt wird.

Sie können den Leitfaden auch auf Deutsch lesen. Thorsten Scheffner hat die Übersetzung besorgt: Der effektive Einsatz von E-Mails. Wie alt diese Übersetzung ist, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht können die Designexperten unter den Lesern anhand der Anmutung von Thorstens Website das Alter bestimmen. Ist letztendlich aber auch wurscht, denn sie ist sehr gut lesbar und äußerst informativ. Und das ist schließlich die Hauptsache.

Wenn ich Unternehmer wäre, würde ich diese Anleitung jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter in meinem Unternehmen zu lesen geben. Es würde gewiss nicht schaden!

Bild von manfredrichter auf Pixabay.

 

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Zufrieden sein mit dem, was ist

Der geneigte Leser weiß, dass ich das Buch über das Zeitparadox von Zimbardo und Boyd mit großen Gewinn gelesen habe. Die Lektüre verhalf mir zu einigen neuen Einsichten. Zwei Zeitperspektiven, die uns bei der Lebensführung Knüppel zwischen die Füße werfen können, wenn sie besonders ausgeprägt sind, ist der negative Vergangenheitsbezug und die fatalistische Einstellung zur Gegenwart. Sie kennen vielleicht das entsprechende Kopfkino, das dabei abläuft:

  • Negativer Vergangenheitsbezug: Es ist alles schlecht und schmerzhaft, was ich in der Vergangenheit erlebt habe
  • Fatalistische Einstellung zur Gegenwart: Ich kann ja doch nichts tun. Ich bin den Kräften von außen hilflos ausgeliefert

Die Kombination dieser beiden Perspektiven ist besonders dazu geeignet, uns das Leben zu vermiesen.

Zimbardo und Boyd schlagen eine kleine Übung vor, mit der Betroffene ihren negativen Vergangenheitsbezug allmählich ins Positive rücken können: Schreiben Sie am Ende eines Tages eine Liste auf mit Dingen, für die Sie an diesem Tag dankbar sind. Eine einfache Übung die Wunder wirkt!

Ali Luke hat einen Artikel geschrieben, der in die gleiche Richtung zielt: How to Love the Life You Already Have. In seinem Beitrag gibt er einige nützliche Hinweise, die er unter den Überschriften zusammenfasst:

  1. Genieße das, was Du hast!
  2. Konzentriere Dich auf das Positive!
  3. Lebe im Jetzt!

Nein, es geht nicht um das Schönreden von Problemen und unschönen Umständen.

Es geht um die Würdigung der Ressourcen, die man besitzt und vielleicht gar nicht wertschätzt.

Denn wie heißt es in dem alten Sprichwort, das Ali zitiert?

The grass is always greener on the other side of the fence.

Other Side of the Fence

 

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Der Fluch der ständigen Erreichbarkeit

Dass psychische Fehlbeanspruchungen in den letzten Jahren zugenommen haben, pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern. Eine Folge davon ist die Zunahme von unerwünschtem Stress, der auf Dauer sogar zu ernsten Erkrankungen führen kann.

Als eine der einflussreichsten Fehlbelastungen nennen Experten immer wieder die zunehmende Entgrenzung von Arbeit und Privatleben. Befördert wird dies insbesondere durch die (Un-) Kultur der ständigen Erreichbarkeit. Dadurch wird es fast unmöglich, die Arbeit nach Feierabend dort zu lassen, wo sie hingehört. An ein „Abschalten“ ist oft nicht mehr zu denken.

Das Problem der ständigen Erreichbarkeit sieht auch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. In ihrer Mitgliederzeitschrift Certo erschien unlängst der Beitrag Flexibles Arbeiten: Neun Dinge, die Sie klären sollten. In dem Artikel stellen die Autoren neun Fragen, mit denen Sie testen können, wie gesund Ihr Umgang mit erweiterter Erreichbarkeit ist. Die Fragen betreffen die Bereiche:

  1. Kontrolle
  2. Vorhersagbarkeit
  3. Wahrgenommene Vorteile
  4. Regelungen

Wenn Sie die dort gestellten Fragen alle mit „Ja“ beantworten können, dann umso besser. Wenn nicht, dann hilft Ihnen eine einschlägige Broschüre der VBG weiter, die Sie als pdf-Datei kostenlos herunterladen können: Erweiterte Erreichbarkeit – Gut gestaltet im Betrieb.

Die Broschüre besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil geht es darum, zu verstehen, was erweiterte Erreichbarkeit überhaupt ist und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit haben kann. Im zweiten Teil bekommen Sie Hinweise, wie Sie die Erreichbarkeit gesundheitsgerecht gestalten können. Besonders empfohlen wird die Erarbeitung von Maßnahmen im Rahmen eines Workshops mit den Mitarbeitern. Für mich ist es immer wieder erstaunlich, dass man auf dieses wirksame Element der Mitarbeiterbeteiligung immer wieder extra hinweisen muss. Dabei ist die Durchführung gar nicht so schwer. Sie finden in dem Heft sogar einen Vorschlag für ein Drehbuch. Die Folien zum Workshop finden Sie hier.

Bedenken Sie, dass die ständige Erreichbarkeit nur ein Belastungsfaktor von vielen ist. Wenn Sie sicher gehen wollen, dass gesundheitstechnisch in Ihrem Betrieb alles im grünen Bereich ist, dann empfehle ich Ihnen eine vollständige Gefährdungsbeurteilung. Miriam Becker schreibt u.a. darüber in ihrem Beitrag Vorsicht, Überlast!.

Wenn Sie möchten, unterstütze ich Sie sowohl beim Workshop als auch bei der Gefährdungsbeurteilung.

Ich bin schließlich nicht umsonst auch Sicherheitsingenieur. 😉

 

Bild von Mabel Amber, still incognito… auf Pixabay

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Freelancer: Zwischen Selbstverwirklichung und Prekariat

Seit 1996 bin ich Freiberufler. Ob ich heute noch einmal die gleiche Entscheidung treffen würde, weiß ich nicht. In den fast 25 Jahren hat sich doch einiges verändert, nicht nur zum Positiven.

Ich glaube jedoch, dass die Position des Freeläncers oder Soloselbstständigen in Zukunft an Bedeutung zunehmen wird. Immer weniger Firmen möchten sich feste Arbeitsverhältnisse „ans Bein binden“, immer weniger Menschen möchten sich einer wie immer gearteten Unternehmenshierarchie unterwerfen. Für mich was die Vorsilbe „frei“ einer der Hauptbeweggründe für die Selbstständigkeit. Der Wunsch nach Selbstverwirklichung war auch für viele meiner Kolleginnen und Kollegen eine gewichtige Triebfedern für diese Entscheidung.

Eines muss jedoch klar sein: Freiberufler zu sein bedeutet mitnichten eine Lizenz zum Geld drucken. Denn je nach Branche und der verbundenen Marktsituation stehen so manche Freelancer mit einem Bein oder manchmal auch mit allen beiden im Prekariat. Leider korreliert die Auftragslage in den seltensten Fällen mit der Arbeitsbelastung. Gerade wer keine Aufträge hat, muss sich darum bemühen und geht nicht selten in schlecht oder gar nicht bezahlte Vorleistung. „Viel Arbeit gabs, doch wenig Brot“, für viele ist dieses Sprichwort bittere Realität.

Unter der Überschrift Zwischen Selbstverwirklichung und Prekariat veröffentlichte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Ergebnisse einer einschlägigen Studie. Untersucht wurden insbesondere „Belastungsfaktoren, Ressourcen und Beanspruchungen bei Soloselbstständigen und Mehrfachbeschäftigten„. Sie können die Studie hier als pdf-Datei herunterladen.

Was den Umgang mit Belastungen angeht, bin ich oft erstaunt, wie leichtfertig „Solopreneure“ mit Ihren wichtigsten Ressourcen, nämlich Gesundheit und Leistungsvermögen, umgehen. Zwar gelten die gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich des Arbeitsschutzes für Selbstständige nur eingeschränkt. Ich empfehle aber dennoch, sich an den gesetzlichen Bestimmungen, sowie an den Vorgaben und Empfehlungen der Berufsgenossenschaften zu orientieren. Ist die Krankheit oder der Burnout erst einmal da, dann ist die Situation noch einmal deutlich schlechter als bei Angestellten. Es gibt zum Beispiel keine Lohnfortzahlung. Wo keine Arbeit, da keine Kohle. So einfach ist das. In diesem Zusammenhang empfehle ich auch, über eine freiwillige Versicherung bei einer Berufsgenossenschaft nachzudenken (Beispiel: VBG). Eine günstigere Versicherung bei Arbeitsunfällen wird man kaum finden.

Und noch etwas: Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, kann man sich organisieren und zusammenschließen. Zum Beispiel im VGSD, dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V..

 

So stehen Sie nicht allein auf weiter Flur.

 

Bild von SnapwireSnaps auf Pixabay

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